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Rede anlässlich des Festakts zum 100. Geburtstag
des Ehrensenators der Hochschule Pforzheim
Dr. Walter Witzenmann +
am 23. Mai 2008


» Dr. Walter Witzenmann war Geschäftsführender Gesellschafter
der
» Witzenmann Gruppe.
(es gilt das gesprochene Wort)

Verehrte Festversammlung, liebe Frau Witzenmann,

gerne habe ich Ihrem Wunsch, liebe Frau Witzenmann, entsprochen, am heutigen Festakt anlässlich des 100jährigen Geburtstages Ihres Gatten, des großen Pforzheimer Bürgers, eine knappe Würdigung zu versuchen. Und dies aus meiner Sicht, also dem Blickwinkel von über drei Jahrzehnten währender Zusammenarbeit für die Hochschulentwicklung.
Darüber hinaus, verehrte Frau Witzenmann, bietet dies heute auch die Gelegenheit, den Schleier des Vergessens über diese spannende und harte Zeit der Entwicklung ein wenig zu heben.

Geht es heute also darum, die Geschichte Walter Witzenmanns als Hochschulmann, als Hochschulpolitiker zu erzählen? Eine Seite seines Wirkens zu beleuchten, die durch die ungeheure Vielfalt seines Wirkens in der Öffentlichkeit unterbelichtet blieb? Wie auch immer, es ist die Geschichte einer produktiven, innovativen und freundschaftlichen Zusammenarbeit für den Hochschulstandort Pforzheim.

Wenn es uns vergönnt wäre, Walter Witzenmann an seinem 100. Geburtstag zu einen Blick auf seine Stadt einzuladen, mag er sicher so manches in seiner spezifischen Art kritisch sehen. Ich bin jedoch überzeugt, dass er auf die Hochschule, die er von Anfang an begleitet hat, mit Wohlgefallen blicken würde. Zunächst würde er zwar in der von ihm typischen und zielgerichteten Zurückhaltung erinnern, dass wir auch weiterhin nicht der Nabel der Welt sind, das erfährt jeder, der in der deutschen Hochschullandschaft und darüber hinaus unterwegs ist. Er wird uns erinnern, dass wir uns nicht zu sehr von Selbstrankings leiten lassen sollten, bei denen man Gefahr läuft, über das Ziel hinaus zu schießen und in orbitaler Höhe sich zu begeben; er würde uns sage, dass wir das nicht nötig hätten, da die objektiven Fremdrankings, die die Bewertung von Hochschulen und ihre Bereiche vornehmen – bei allen individuellen Exzellenzen – zeigen, dass der Hochschulstandort Pforzheim inzwischen eine hervorragende nationale und internationale Adresse geworden ist, dass er auf dem Wege ist, sich zu einer veritablen Hochschulstadt zu entwickeln.

Doch wer konnte von mehr als vier Jahrzehnten ahnen, dass sich aus zwei Keimzellen – der Kunst- und Werkschule und der neu zu gegründeten höheren Wirtschaftsfachschule, die damals auch keineswegs dem tertiären Bildungsbereich angehörten, also letztlich aus bildungspolitischen Petitessen, eine renommierte Hochschullandschaft würde, deren Entwicklung noch lang nicht zu Ende ist, wenn man sie konsequent fortschreibt und sich nicht zu viele Auszeiten dazwischen erlaubt.
Wer konnte diese Entwicklung ahnen? Walter Witzenmann gehörte zu den wenigen, die in damaliger Zeit spürten, welches Entwicklungspotential in diesen beiden Keimen steckt und dass es wichtig ist für diese Stadt und die Region, dieses Potential zu entwickeln.

Doch der Weg in das Heute war nicht mit Rosen bestückt. Nichts fiel vom Himmel, alles musste hart erarbeitet werden mit Rückschlägen und Erfolgen. Und sie müssen es, meine Damen und Herren, heute erdulden, einige Eckpunkte dieser Zeit zurückrufe. Aber Vielleicht lässt sich Geschichte doch am besten durch Geschichten erzählen:

So kann man mit der Frage beginnen, was die beiden Jahre 1963 (Gründung der HWF) und 1995 (Gründung des Ingenieurstudiums) verbindet. Was haben beide Jahre gemeinsam?

In beiden Jahren lief der Start (Take off) über Walter Witzenmann und seine Firma. So war das Gründungsbüro der HWF- überdies ein damals nicht gewolltes Kind - bei ihm in der Firma untergebracht. Bemerkenswerter und erinnerungswürdiger ist aber der Start der Ingenieure.

Hier ergab sich die Situation, dass die Haushaltsstellen zugewiesen waren, aber die Räume fehlten. Mit großem Bedauern kündigte das Ministerium eine Verschiebung an, wobei die knappen Haushaltsstellen inzwischen (natürlich nur vorübergehend!) anderweitig zugewiesen wären. Ein rasch erarbeiteter Plan B machte dieses Ansinnen aus Stuttgart zunichte: die Firma Witzenmann sorgte für eine den Start ermöglichende Infrastruktur. Das Ministerium war darüber „not amused“ – aber wir!

Solche Schelmenstreiche gefielen W.W. Und es ergab sich auch sogleich die Chance für einen weiteren. Die geplante Errichtung des Studiums zum Wirtschaftsjuristen (für Baden-Württemberg damals eine Innovation) stieß auf massive Blockaden, die insbesondere von Interessenverbänden. Auch erinnerte sich eine große Nachbarstadt, dass die ja eine Residenzstadt des Rechts sei und nur sie für solche Studiengänge infrage komme, alles andere wäre ein Sündenfall.
Wir haben die Sünde auf uns genommen und bis heute nicht bereut.

Und dann, meine Damen und Herren, der Prozess der Fusion der beiden Hochschulen: zu keiner Zeit zuvor und danach gab es in Pforzheim mehr Hochschulexperten. Und vor allem auch Untergangspropheten, die das Ende der Gestaltung und des Design in Pforzheim und zumindest ihre schwere Beschädigung vorhersagten. Walter Witzenmann hörte zu, wog die Argumente ab und erkannte sehr schnell, welche gewaltige Chance in einer solchen Entwicklung liegt. Dass inzwischen der „Untergang“ einer Blüte gewichen ist, würde ihn sicher an seinem 100. Geburtstag besonders freuen



Dass Hochschulregionalität und Internationalität kein Widerspruch sind, musste man ihm nicht erklären. Er begleitete mich zu Besuchen bei Partnerhochschulen ins Ausland. In besonders guter Erinnerung ist eine Reise nach Dijon, wo er zum Ritter des Burgunderweins geschlagen wurde - eine Ehre, die nur großen internationalen Persönlichkeiten zuteil wurde. Für Sie, liebe Frau Witzenmann, sicher eine Zäsur Ihres Lebens, einen Ritter an Ihrer Seite zu wissen.

Doch zurück in das Heute: gegenwärtig erleben wir in Baden-Württemberg eine in diesem Ausmaß neue Situation, nämlich die massiven Bemühungen von Städten und Kommunen, ein Stück von dem zu verteilenden Hochschulkuchen zu erhalten. Sei es durch Neugründung oder Außenstellen und dies mit Anstrengungen, die teilweise groteskes Ausmaß annehmen. Dann nämlich, wenn mit hohen Millionenbeträgen das Land praktisch unter Druck gesetzt wird. Diese Kommunen, meine Damen und Herren, wissen was sie tun. Sie haben die Überragende Bedeutung erkannt, die man heute und in der Zukunft dem Standort Element Hochschule zuweist. Sie wissen, dass es für ihre Zukunft ökonomische, kulturelle und gesellschaftliche Chancen eröffnet, dass es dabei nicht nur um die Schaffung von Ausbildungs- und Studienplätze für junge Menschen geht, sondern um die Schaffung einer Infrastruktur für Forschung und Entwicklung am Standort, um mehr Internationalität, letztlich auch um die Steigerung der Lebensqualität. Aus- und Weiterbildung, Forschung und Entwicklung sind zu einem Wachstumsmarkt geworden, der seinesgleichen sucht.

Für Pforzheim gilt natürlich das Prädikat Goldstadt. Aber das 2. Gold dieser Stadt sind die Bildungs- und Lebenschancen, die für junge Menschen geschaffen werden, Bildungs- und Berufschancen für die junge Generationen, eine Heimat zu definieren für nationale und emotionale Lebensplanung. Pforzheim ist der Platz für Schmuckwelten. Hervorragend! Er ist inzwischen aber auch der Platz für Bildungswelten und es wird in Zukunft immer mehr Glanz geben, der dem des Goldes gleichkommt, in Zukunft vermutlich übertreffen wird.

Dazu braucht eine Hochschule starke Partner, Sponsoren im heutigen Sinne, wie sie im Foyer dieses Baues aufgelistet sind mit einer nach oben offenen Richterscala. Denn meine Damen und Herren, Geld schießt auch im Bildungsbereich Tore. Aber neben der finanziellen Unterstützung brauchen wir auch Partner wie Walter Witzenmann, der nie ein primär monetärer Sponsor im heutigen Sinne war.
Sein großes Verdienst war das frühzeitige Erkennen der Bedeutung des Standortfaktors Bildung, aber gerade auch im tertiären Bereich und das frühzeitige Erkennen der Entwicklungschancen aus den Keimen der 60er Jahren. Und - vielleicht das Wichtigste – er hat nicht nur darüber gesprochen, sondern gehandelt. Er hat sich engagiert, seine große Persönlichkeit eingebracht, und ich glaube auch ein Stück Herzblut.

Und so war Walter Witzenmann in der Tat ein hochschulpolitischer Mensch, ein Hochschulpolitiker. Zu seinem 100. Geburtstag können wir ihm nicht mehr gratulieren, aber der Stadt Pforzheim zu ihrem großen Bürger und der Hochschule zu ihrem bedeutendem Partner. Ich verneige mich in Wehmut und Dankbarkeit - in Erinnerung an eine große Zeit mit ihm.

Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Rupert Huth


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Vortrag im Plenum der Hochschulrektorenkonferenz (Auszug HRK - Newsletter 10.7. 2007)

Die Corporate University – ein Zukunftsmodell für Deutschland

International orientierte Unternehmen haben erkannt, dass wirtschaftlicher Erfolg im globalisierten Wettbewerb nicht primär durch Fusion, sondern aus eigener Kraft, sozusagenvon innen heraus, geleistet werden muss. Denn nicht der Produktionsfaktor Kapital ist zumEngpass geworden, sondern die Qualität der Mitarbeiter.

Erforderlich sind: engagierte,qualifizierte Mitarbeiter mit fundierter Grundausbildung und der Bereitschaft zumlebenslangen Lernen. Damit hat betriebliche Aus- und Weiterbildung und ganz generell die Personalentwicklung vor allem in international vernetzten Unternehmen eine neue Dimensionund einen hohen Stellenwert bekommen. Inhalt und Struktur dieses Unternehmensbereichswerden neu definiert.

Die neue Konzeption und Organisationsform als Corporate University (CU) wurde aus denUSA übernommen. Dabei handelt es sich nicht um eine Universität im klassischen, vor allemeuropäischen Sinne, sondern um eine Unternehmens-University. Sie trägt dazu bei, die Zieledes Unternehmens zu realisieren. Corporate Universities sind auch keine Konkurrenz zurklassischen Universität bzw. Hochschule: Sie werben den Hochschulen keine Studenten oderRessourcen ab, ihre Bildungsmaßnahmen richten sich vorwiegend an die Mitarbeiter desUnternehmens. Auch haben sie in der Regel ihre eigenen Personalressourcen für die Lehreaus ihrem mittleren und gehobenen Management, d.h., sie werben auch keine Professoren vonden Hochschulen für die Lehre ab.Gleichwohl sind Zusammenarbeit und Dialog mit den klassischen Hochschulen angesagt,wenn sie für beide Seiten Nutzen versprechen. Dazu ein Beispiel: Die Corporate Universitydes Finanzdienstleisters MLP in Heidelberg hat einen wissenschaftlichen Beirat gebildet, dersich aus einschlägig renommierten Wissenschaftlern aus verschiedenen europäischen Ländernzusammensetzt. Er ist zuständig für die Evaluierung, wissenschaftliche Begleitung undFortschreibung der Aus- und Weiterbildung des bei diesem Unternehmen in erster Linieakademischen Mitarbeiterstabs. Auf diese Weise wird für die Aus- und Weiterbildung eineOptimierung zwischen Wissenschaft und Praxis angestrebt.

Aber – so wird zuweilen gefragt – ist der Begriff "University" nötig? Sicher nicht. Aberwarum soll man nicht auch in Deutschland einer Terminologie folgen, die sich inzwischenweltweit durchgesetzt hat!

Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Rupert Huth war Vizepräsident der Hochschulrektorenkonferenz und ist Mitglied des Vorstands der MLP-CU.